HIMMEL UND ERDE

Von Gerlind Reinshagen

Donnerstag, 05.05.2016 | 20:15 Uhr - PREMIERE
Freitag, 06.05.2016 | 20:15 Uhr
Samstag, 07.05.2016 | 20:15 Uhr
Donnerstag, 23.06.2016 | 20:15 Uhr
Freitag, 24.06.2016 | 20:15 Uhr
Samstag, 25.06.2016 | 20:15 Uhr

(c) Marcel Weinand

Am Donnerstag, 23. Juni lädt der Verein der Förderer und Freunde des LICHTHOF e.V. im Anschluss an die Vorstellung zum Publikumsgespräch ein.

Die vitale und lebensbejahende Kellnerin Sonja ist schwer erkrankt. In der Klinik trifft sie auf den jungen Tischler Goldie, der Zuhörer ihrer intensiven Lebensbeichte wird. Beim unermüdlichen Reden und pausenlosen Denken gelangt sie zu einer Klarheit, in der sie erkennt, was sie bisher verdrängt hat. Am Ende ihrer Tage ist sie in der Lage, das Leben zu feiern.

Mit Himmel und Erde hat Gerlind Reinshagen Theatergeschichte geschrieben. In einer Kritik der Uraufführung heißt es: „Himmel und Erde zeigt das Elend eines kleinen, scheinbar nutzlosen Gehirns, doch dahinter wird dann eine rabiate Kraft, eine fast gewalttätige Phantasie sichtbar, die dieses Gehirn, von Todesangst zum Sprechen gebracht, entwickelt“ (Zeit). Erla Prollius nimmt sich sensibel der heiteren Skurrilität des Stückes an. Ohne jegliches Pathos entsteht so eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Leben.

Neben vielen anderen Preisen erhielt Gerlind Reinshagen den Mühlheimer Dramatikerpreis (1977), die Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises (1982), den Niedersachsenpreis (1999) und wurde noch 2008 mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet. Die vielseitige Autorin verfasst auch Kinderbücher, Hörspiele und Prosa.

Regisseurin Erla Prollius inszeniert seit 2000 am LICHTHOF Theater. Hier entstanden eine Vielzahl Projekte, oft mit gemischten Ensembles aus Profis und Amateuren, wie BirthdaypartyLost oder Talking Heads. An Gerlind Reinshagens Stück interessieren sie die thematische Brisanz und der poetische Erzählstil.

Mit Eva Engelbach, Christine Korfant und Martin Westhof

Regie: Erla Prollius
Musik: Eva Engelbach
Bühne: Marcel Weinand
Kostüm: Renata Kos
Dramaturgie: Ines Dyszy
Licht: Sönke C. Herm und Dima Ostroglad
Regieassistenz: Isabelle Prchlik und Isabel Schneider

Im Gespräch mit der Regisseurin erzählt Gerlind Reinshagen von der Inspiration zu Himmel und Erde, ihrer Meinung zum zeitgenössischen Theater und ihrer Begeisterung für das Kino.

„IM KINO KOMMEN NEUE FORMEN ZUSTANDE“

Gerlind Reinshagen gehört zu den wichtigsten Dramatikerinnen Deutschlands. Ihre Stücke wurden seit 1968 regelmäßig von Claus Peymann inszeniert. Neben vielen anderen Preisen erhielt sie den Mühlheimer Dramatikerpreis (1977), die Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises (1982), den Niedersachsenpreis (1999) und wurde noch 2008 mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet. Die vielseitige Autorin verfasst auch Kinderbücher, Hörspiele und Prosa. Am 4. Mai 2016 feiert Gerlind Reinshagen am Berliner Ensemble ihren 90. Geburtstag und einen Tag darauf feiert die Inszenierung ihres Dramas HIMMEL UND ERDE am LICHTHOF Theater Premiere. Im Gespräch mit Regisseurin Erla Prollius erzählt Reinshagen von ihren Anfängen als Schriftstellerin, der Inspiration für HIMMEL UND ERDE und ihrer Vorliebe für das Kino.

Erla Prollius | Gerlind, wie hast du den Tag verbracht?

Gerlind Reinshagen | Ganz gut. Ich habe doch noch Himmel und Erde gefunden und da habe ich gesehen, dass sie sich besaufen zum Schluss.

Gut, dass du dein Stück wiedererkennst.

Ja, und ich finde es auch immer noch schön geschrieben. Es ist so lange her. Damals kam es so von alleine. Heute muss ich mich viel mehr anstrengen.

Dass es von alleine kam, glaubt man niemals. Wir arbeiten und kämpfen mit den unglaublich schönen Inhalten, wollen alles verstehen und sind immer noch am Nachfragen und Suchen. Der Kritiker Benjamin Henrichs hat in der Zeit sehr positiv über die Uraufführung des Stücks geschrieben.

Da hatte ich solche Angst, da habe ich gar nicht hingeschaut.

In nächster Zeit wird „Die Fernfrau“ zur Uraufführung freigegeben.

Ja, ich habe jetzt noch eine Seite korrigiert, die mir nicht gefallen hatte. Nun haben sie ihre Fingerchen ausgestreckt. Das Stück muss irgendein Verrückter machen. Sonst sagen sie: „Ach, von einer Frau – und so alt!“ – Das ist die gängige Antwort. Und dabei merken sie gar nicht, dass das Stück verrückt ist.

Stimmt es, dass du deine ersten Schreibversuche damals an eine Frankfurter Zeitung geschickt hast?

Ja, ein Gedicht an die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ich bekam eine Antwort von einem Redakteur, den man damals schon kannte: Das Gedicht hätte ihm sehr gut gefallen. Er machte mich aber darauf aufmerksam, sollte ich weiter schreiben, nicht so viele Genitivmetaphern zu gebrauchen.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das dich zum Schreiben angetrieben hat?

Ich weiß nicht. Der erste Text war für so ein furchtbares Blättchen. Das Ganze hat sich dann aber gesteigert. Erst kam die Schmonzette, dann das Gedicht bei der FAZ, das sie allerdings nicht gedruckt haben, obwohl es ihnen gefallen hatte. Dann kam etwas von mir in der FAZ. Und dann habe ich gedacht: „Jetzt bist du Schriftstellerin“. (lacht)

Wann war das? In den 70ern?

Nein, das war viel früher, noch zu meinen Studienzeiten. Ich war noch sehr jung, als der erste Brief von der FAZ kam.

Und wann hast du das erste Theaterstück geliefert?

Das erste war ein Hörspiel. Das waren drei Männer im Krankenhaus und einer war aus Ostpreußen. Das habe ich in Ostpreußisch geschrieben. Das weiß ich noch.

Du sagst Krankenhaus, hast du nicht Apothekerin gelernt?

Ja, genau. Da war ich aber schon fertig mit dem Studium.

Du warst also medizinisch sehr gebildet. Damit haben wir im Stück gerade auch zu kämpfen, mit Begriffen wie ‚SGOT’…

Das klingt natürlich gut auf der Bühne, aber ich weiß auch nicht mehr, was es bedeutet. Irgendwas mit der Leber, glaube ich. Ich denke, es ist toll, wenn man, bevor man schreibt, einen richtigen Beruf gehabt und in einer Gruppe mit anderen Menschen zusammen gearbeitet hat.

Diese Sonja Wilke, die Eistütenverkäuferin, hast du doch gekannt?

Ja, so eine die aussah wie Sonja Wilke. Sie hatte immer einen selbstgenähten, blauseidenen Morgenrock, schöne Puschen und sah wunderschön aus. Ich weiß nicht mehr, ob sie wirklich Eis verkauft hat, aber wie sie aussah, weiß ich genau.

Und den Goldie brauchtest du als Antagonisten?

Ja, solche Jungs kannte man ja auch.

Ich möchte dir ein paar Zeilen vorlesen: „Nichts, was mich angeht verrat ich je. Die Stadt nicht, noch die Zeit, in der ich mich befinde. Wo ich herkomme, ahnt keiner. Nur meine Tiere wissen, wohin wir gehen.“

Wo hast du das denn her?

Das ist von dir. Ich habe es aus dem Suhrkamp-Magazin.

Ja, richtig. Über die Gertrud Kolmar.

Ich glaube, die hast du sehr lieb, diese Texte. Stimmt das?

Ich habe gern solche Gedichte gemacht über Schriftsteller. Das muss ich auch noch ein bisschen weitermachen. Solange ich noch kann.

Hast du schon dein nächstes Stück im Hinterkopf?

Nein, ich mache kein Stücke mehr. So eine große Sache schafft man nicht. Da muss man mehr Material haben. Ich mache höchstens noch die Gedichte fertig.

Du liest viel, du siehst viel. Gehst du noch ins Theater?

Da bin ich ewig nicht gewesen. Einmal war ich noch bei Shakespeares Sonetten von Wilson. Das war schön.

Du kennst die jungen Regisseure – wie denkst du über das Theater heute?

Pollesch und so finde ich schön. Aber die ganz Neuen, die verhackstücken alte Texte. Dostojewski als Theaterstück – finde ich sehr schwierig. Das kann mal sehr toll werden. Aber warum gibt es nicht eine ganz neue Theaterform? Eine Form, mit der man diese schönen, alten, kitschigen, vergoldeten Häuser erhalten kann. Da muss was Schönes, was Neues rein. Da muss was weitergehen. Es ist furchtbar schwer, für diese Häuser zu schreiben. Vor allem als Frau. Vielleicht, wenn ein Mann das macht…

Meinst du wirklich, dass es immer noch diese Trennung gibt?

Ich weiß es nicht genau. Wir haben jetzt gute, neue Frauen. Ein paar gute gibt es, Dea Loher zum Beispiel. Die Russinnen sind gut. Marianna Salzmann* ist toll, „Weißbrotmusik“ ist ein wunderbares Stück.

Und wie stehst du zum Kino?

Kino ist natürlich toll. Da gehe ich ab und zu hin. Im Kino passiert mehr Neues, auch formal. Da traut man sich mehr. Zum Beispiel der Film Paxy: dort dauert es ganz lange, bis die Figur endlich einen Satz spricht. Solche neuen Sachen traut sich niemand im Theater. Im Kino kommen neue Formen zustande. Ein paar machen es auch schon am Theater, aber das steckt noch sehr in den Kinderschuhen.

Jetzt steht dir ein spannendes Ereignis bevor: Am 4. Mai wirst du 90. Und du wirst gefeiert am Berliner Ensemble durch deinen alten Freund Claus Peymann.

Ja. Die machen da was. Ich weiß auch nicht genau, die Schauspieler machen etwas.

Freust du dich drauf?

Ja, ich weiß nur nicht, was sie machen. Ich habe erst vor drei Tagen davon erfahren. Ich wusste, dass sie etwas machen, aber ich wusste nicht was. Und ich weiß nicht, ob es reicht. Aber das müssen sie sehen. Das ist nicht mein Problem. Das ist ihr Problem, drei Stunden vollzukriegen. (lacht)

Liebe Gerlinde, ich wünsche dir einen schönen Geburtstag. Am 4. Mai hast du Geburtstag und am 5. Mai haben wir Premiere. Du darfst an uns denken und wir denken natürlich auch an dich.