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Dat Leven vun de Liven
HELGE SCHMIDT UND TEAM
Termine
- Fr 24.2.23, 20:15 | Premiere
- Sa 25.2.23, 20:15
- So 26.2.23, 18:00 | mit Publikumsgespräch
- Sa 4.3.23, 20:15 | mit Publikumsgespräch
Auf Hochdeutsch, Plattdeutsch, Livisch, Arabisch, Englisch mit hochdeutschen Übertiteln
Dauer ca. 70 Minuten
Hört rein: Vorbericht auf NDR 90,3
Peter Helling hat sich eine der Proben angesehen und berichtet darüber, was euch bei „Dat Leven vun de Liven“ erwartet, der Kooperation des LICHTHOF mit dem Ohnsorg-Theater: „Platt trifft Arabisch“.
Lest nach: Premierenkritik
Falk Schreiber | nachtkritik.de: „Aussterben mit Gelassenheit“
Dagmar Ellen Fischer | Die deutsche Bühne: „Vom Wind verwehte Wörter“
Annette Stiekele | Hamburger Abendblatt: „Was bedeutet es, wenn eine Sprache verschwindet?“
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“
(Ludwig Wittgenstein)
Was verschwindet, wenn eine Sprache stirbt? Die Liven, ein Küstenvolk in Lettland, sind vom Aussterben bedroht. Ihre Kultur droht assimiliert zu werden, während Livisch gar nur noch von einer Handvoll Menschen auf muttersprachlichem Niveau gesprochen wird. Der plattdeutschen Sprache, mit der im Norden Deutschlands ebenfalls immer weniger Menschen aufwachsen, droht ein ähnliches Schicksal.
Minderheitensprachen sind wie der Kaspische Tiger oder der Mosel-Apollofalter – wenn sie nicht geschützt werden, verschwinden sie. Und wenn man sagt, dass Welt durch Sprache erschaffen wird, versinkt mit jeder kleinen Sprachgruppe auch eine Insel an Bedeutungen. Aber wen kümmert das? Was gilt uns als schützenswert? Was kann weg? Und wo verläuft die Grenze zwischen Heimatpflege und Instrumentalisierung?
„Nation funktioniert als Grenze nach außen, Heimat bildet eine Grenze nach innen.“
(Mithu Sanyal)
Sprache kann sowohl dynamische Trägerin sozialer Realitäten als auch Museum sein – ständig in Veränderung und Anpassung begriffen, aber auch Konserve der Zeit, die irgendwann niemand mehr verstehen kann. Kultur ist nie neutral. Verstanden werden kann sie nur durch Kontaktaufnahme. Daher hat sich das Produktionsteam auf eine Reise zu den verbleibenden Liven im weitläufigen Norden Lettlands begeben. Sie haben viele Fragen gestellt, Spuren der Geschichte in der Natur, in der Kultur und in den Menschen gelesen. Sie sind eingetaucht in einen Komplex, der ihnen zuvor vollkommen unbekannt war.
„En Spraak is in Gefohr, wenn jümehr Sprekers ehr nich mehr bruken doot, un ehr nich mehr vun Generatschoon to Generatschoon wiedergeevt, so dat dat keen ne’en Sprekers mehr gifft, nich wussen Lüüd, nich Kinner.“
(UNESCO, 2003)
Sprache bedeutet gerade für Minderheiten mehr als reine Kommunikation, die ja auch durch andere Sprachen – deutsch, englisch, lettisch… – möglich wäre. Sprache wird Teil der Identität, Sprache formt auch eine (imaginierte) Heimat. Wie schaffen wir es, diese Diversität zu schützen, ohne andere Gruppen auszuschließen? Können Plattdeutsch und Livisch auch uns eine Heimat sein?
Mit diesem Projekt betreten FAUST-Preisträger Helge Schmidt und sein Team neues Terrain: In einer einzigartigen künstlerischen Zusammenarbeit mit dem LICHTHOF Theater und dem Ohnsorg-Theater betrachtet die Gruppe aus der freien Szene die Dimensionen des Aussterbens und Erhaltens von Kultur, ohne sentimentalen und folkloristischen Überbau.
„Dat Leven vun de Liven“ kombiniert dokumentarisches und dramatisches Theater mit Interviews und Landschaftsaufnahmen sowie Texten von Peter Bichsel, Ray Bradbury, David Foster Wallace, Judith Schalansky, Dörte Hansen, Ludwig Wittgenstein, Mithu Sanyal, Uli Stein zu einer Meditation über das, was uns wichtig ist. Aber nicht nur das – in dieser besonderen Konstellation mit zwei unterschiedlichen Theaterhäusern überschreitet die Produktion sowohl institutionelle, als auch sprachliche, inhaltliche und ästhetische Grenzen.
Es spielen: Lamis Ammar, Erkki Hopf, Birte Kretschmer, Cem Lukas Yeginer / Regie: Helge Schmidt / Ausstattung: ATELIER LANIKA (Lani Tran-Duc, Anika Marquardt) / Dramaturgie: Anke Kell / Übersetzung ins Plattdeutsche: Christiane Ehlers und Cornelia Ehlers / Video: Jonas Woltemate / Musik: Frieder Hepting / Lichtdesign: Sönke C. Herm / Künstlerische Mitarbeit: Sina Brüggemann, Judith Weßbecher / Produktionsleitung: Kaja Jakstat (Zwei Eulen)
Über den Regisseur
Helge Schmidt wurde 1983 in Schwerin geboren und studierte in München Theaterwissenschaft, Psychologie und Neuere deutsche Literatur. Während seines Studiums sammelt er erste Regieerfahrungen an der Studiobühne der Ludwig-Maximilians-Universität. Anschließend war er Regieassistent am Thalia Theater Hamburg. In der Spielzeit 2013/14 inszenierte er dort Rum und Wodka von Conor McPherson in der Spielstätte Nachtasyl, im folgenden Jahr entwickelte und inszenierte er Vom Lagerfeuer zum Weltenbrand, ein Projekt, das sich in Form eines szenischen Konzertes der Zeit vor dem ersten Weltkrieg widmete.
Seit der Spielzeit 2014/15 arbeitet Helge Schmidt als freier Regisseur. Es entstehen Kafka ist traurig, die Uraufführung von Lena Bireschs gentrifiction und seine Interpretation von Horváths Glaube Liebe Hoffnunggemeinsam mit dem Choreografen Jonas Woltemate am LICHTHOF Theater Hamburg. Seine Produktion Weltverbesserungstheater am Theater Erlangen wurde in der Kritikerumfrage der Deutschen Bühne als herausragende Inszenierung der Spielzeit 2017/18 nominiert. Die 2018 mit dem Recherche-Kollektiv CORRECTIV entstandenen Cum-Ex Papers wurden mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUSTausgezeichneten. Mit Tax for Free (2021) und Die Krebsmafia (2022) folgten weitere Kooperationen mit investigativen Journalist:innen.
Helge Schmidt ist sowohl in der freien Szene als auch am Stadttheater aktiv. Seine Arbeiten wurden mehrfach zu Festivals eingeladen.
Eine Produktion von Helge Schmidt und Team, in Koproduktion mit dem LICHTHOF Theater und dem Ohnsorg-Theater.
Gefördert durch die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Kultur und Medien, sowie vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR, durch den Berit und Rainer Baumgarten Stiftungsfonds unter dem Dach der Hamburgischen Kulturstiftung, die ZEITStiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die Rudolf Augstein Stiftung, die LICHTHOF Stiftung und die Carl Toepfer Stiftung
Besonderen Dank an Dörte Hansen für die Freigabe der Zitate aus Zur See und
Rymhart Troyer (www.rymhart.de) für das Kostümsponsoring.